Jeder Unfall, den ich hatte, bedeutete für meine Muskeln einen Rückschlag – besonders, je älter ich wurde. Nach einem Unfall war ich oft weniger beweglich, konnte schlechter laufen oder mich schwerer aufrichten. Deshalb ist es für mich sehr wichtig, in Zukunft Unfälle zu vermeiden. Das führt dazu, dass ich bei Ausflügen oder Einkäufen öfter den Rollstuhl benutze, um mich zu schonen. Doch das ist auch nicht ideal, denn dadurch beanspruche ich meine Muskeln noch weniger. Seht ihr, wie ich mich da in einer Zwickmühle befinde?
1. Unfall
Als ich noch klein war, brach ich mir das Schlüsselbein. Vor dem Abendessen gegen 17 Uhr fiel ich von einer hohen Mauer, die neben der Einfahrt zur Kuhscheune stand. Auf dieser Mauer wuchs Gras, und kurz vor dem Essen stürzte ich hinunter. Da ich zum Essen nicht erschien, suchte mein ältester Bruder nach mir und fand mich schließlich am Boden liegend.
2. Unfall
Ich war damals 13 Jahre alt und besuchte die 5. Klasse. An diesem Tag stand im Sportunterricht die Reckprüfung an. Voller Konzentration probte ich noch einmal alles durch. Doch als ich mein zweites Bein über die Stange schwingen wollte, verlor ich plötzlich das Gleichgewicht und stürzte auf den Boden unter die Reckstange. Ein lauter Knack hallte durch die Halle – so berichten es meine Mitschülerinnen. Ich blieb regungslos liegen. Alle stürzten zu mir und fragten besorgt, ob ich mich bewegen könne. Ich bewegte meine Finger – zumindest dachte ich das. Doch es war nicht die Hand, von der ich glaubte, dass sie sich rührte. Meine Lehrerin war sichtlich besorgt. Vorsichtig richtete sie mich auf und brachte mich zur Tür der Turnhalle. Während ich dort wartete, organisierte sie die Fahrt zum Arzt, brachte mir Schuhe und Jacke. Plötzlich kam mein Bruder vorbei, der anfangs gar nicht verstand, warum ich weinte und dort stand. Erst als die Lehrerin mit mir zum Arzt fuhr und die anderen Schülerinnen mit dem Rest der Klasse weiter turnten, erfuhr er die ganze Geschichte.
Im Wartezimmer beim Arzt brachte ich noch einen Scherz: „Wenigstens müssen die Mädchen die Reckprüfung nicht machen.“ Da wusste meine Lehrerin, dass ich meinen Schock mit Humor zu nehmen begann.
Das Röntgenbild zeigte, dass mein linker Oberarm gebrochen war. Deshalb musste ich ins Kinderspital nach Luzern zur Operation. Zum Glück verlief der Eingriff gut, und schon am nächsten Tag durfte ich nach Hause. Beim Spitalkiosk kaufte Muetti mir ein neues Wendy-Heftchen.
Meine Turnlehrerin fühlte sich ein wenig schuldig. Sie brachte mich zwischendurch sogar nach Hause, damit meine Eltern nicht immer fahren mussten. Außerdem schenkte sie mir immer wieder kleine Hefte von Wendy oder Pferdegeschichten.
Etwa vier Wochen nach dem Unfall wurde der „Nagel“ aus meinem Arm entfernt – ein gebogener, leicht rosa farbener Stab, den ich noch lange als Erinnerung behielt.
3. Unfall
April 2018
Immerhin habe ich vor dem Unfall eine Rückenmassage beim Gotti. 😊
Weil ich geplant hatte nach der Massage beim Gotti zu einer Ausstellung in Neuenkirch zu gehen, lud sie mich ein bei ihr noch Abend zu esse. Gemüsewähen. Geplant war, gemeinsam in ihrem Garten oberhalb des Hauses frisches Gemüse zu holen. Doch kaum war ich losgelaufen, stolperte ich und stürzte auf dem Rasenplatz. Sofort durchfuhr mich ein stechender Schmerz im linken Arm. Gotti rief sofort ihren Sohn, der mir half, wieder aufzustehen, da ich nicht mehr allein auf die Beine kam.
In der Wohnung rief ich sofort meinen Hausarzt an, um zu fragen, ob ich noch vorbeikommen könne, da der Verdacht auf einen Bruch bestand. Gotti und ich fuhren schnell los, denn es war schon spät und die Praxis würde bald schließen. Nach dem Röntgen sagte der Arzt, dass mein Arm eingegipst werden müsse, da ein Knöchel im Ellenbogen gebrochen war.
Danach fuhren wir zurück zu Gotti, während ich meine Eltern kontaktierte, ob sie mich in Buttisholz abholen und mit mir und dem Auto nach Hause fahren könnten. Natürlich informierte ich auch immer wieder Dominik über den Unfallverlauf. Nachdem Muetti und Dädi bereits gegangen waren, kam er von der Arbeit nach Hause.
Ich hatte Glück, denn eine Kollegin, die ebenfalls täglich nach Luzern pendelt, nahm mich mit. Um besser sitzen zu können und leichter aufzustehen, legte ich mir ein Kissen auf den Beifahrersitz. Auch in der Schule musste ich aufrecht sitzen, sonst fiel es mir schwer, vom Stuhl aufzustehen. Einmal, als ich mit Gips stürzte, halfen mir ein Mitschüler und die Lehrerin wieder auf die Beine. Auch zwischendurch unterstützte mich derselbe Mitschüler, wenn der Stuhl sich plötzlich in der Höhe verstellt hatte und ich nicht mehr hochkam.
Seit diesem Unfall kann ich leider nicht mehr alleine vom Boden aufstehen, wenn ich gefallen bin.
4. Unfall
An einem Mittwochabend Ende April stand ich während des Abendessens kurz auf, um mir ein Messer und etwas Butter zu holen. Dabei knickte ich unglücklich um und stürzte zu Boden. Dominik konnte mich nicht auf die Füsse stellen. So kroch ich auf dem Boden, während er mich vorsichtig zog und schob, bis wir es schliesslich gemeinsam zum Sofa schafften. Auch dort war es nicht einfach, mich auf das Sofa hinauf zu kriegen, denn mein Fuss schmerzte stark. Dominik holte vom Keller den Rollator. Mit dem konnte ich mich selbst fortbewegen. Am nächsten Tag wurde ich zum Hausarzt gebracht. Den Verdacht, dass ich etwas gebrochen habe (Mittelfußknochen nahe der Fussbasis), wurde mir bestätigt. Mein Hausarzt überwies mich ins Spital Sursee, wo ich eine Vacoped-Orthese – eine Vakuum-Schiene für Fuß und Unterschenkel – erhielt.
Mit der Orthese konnte ich nicht arbeiten gehen. Wegen mangelnder Stabilität auf Krücken war ich gezwungen, mich mit dem Rollator fortzubewegen. Meistens sass ich darauf und bewegte mich so in der Wohnung, um den verletzten Fuß möglichst wenig zu belasten – immerhin durfte ich maximal 20 Kilogramm Gewicht darauf bringen. Natürlich musste ich beim Aufstehen aus dem Bett, vom Rollator, von der Toilette und sogar unter der Dusche meinen Fuss stärker beanspruchen, was unvermeidbar war. Trotz allem erledigte ich am Freitag viele Arbeiten im Haushalt. Dabei merkte ich, wie sehr mir die Arbeit fehlte, und begann, mir Notizen zu machen, was ich selbst schaffen konnte und wofür ich abends auf Unterstützung von Dominik angewiesen war. Viele Dinge wie Wäsche waschen, trocknen, zusammenlegen und verräumen erledigte ich selbst – lediglich bei kleinen Kleidungsstücken musste er gelegentlich helfen, diese aus der Waschmaschine nehmen.
Nach meinem Unfall begannen wir, bewusster und gesünder zu essen. Ich entdeckte viele neue, gesunde Lebensmittel, die wir beide gern mochten. Etwa zwei Wochen nach dem Unfall tauschte ich die Vacoped-Orthese gegen einen Gips ein. Als ich mich mit Gips auf die Waage stellte, zeigte das Gewicht sogar ein paar Gramm weniger als vor dem Unfall – ein kleiner, aber wichtiger Erfolg, der mich sehr glücklich machte und bestätigte, dass ich auf dem richtigen Weg war.
Rund eine Woche nach dem Unfall verfiel ich zunehmend in eine leichte Depression. Selbst beim Duschen war ich nun auf die Hilfe von Dominik angewiesen. Ich fühlte mich hilflos, weil ich im Geschäft nicht richtig mithelfen konnte – auch wenn ich über Anydesk, eine Fernsteuerung für den Geschäftscomputer, versucht hatte, zumindest ein bisschen zu arbeiten. Doch die vielen Fragen an meinen Arbeitgeber, die ich per E-Mail oder Telefon stellte, blieben oft unbeantwortet, weil er selbst mit zahlreichen Problemen beschäftigt war. Nach einigen Tagen reduzierte ich meine Arbeit am Computer weiter, obwohl mein schlechtes Gewissen wuchs – ich wusste jedoch, dass ich kaum mehr tun konnte.
Es gab Tage, die besonders schwer zu bewältigen waren. Oft musste ich weinen, weil ich Angst hatte, wie sich die sechs Wochen Schonzeit auf meine Muskeln auswirken würden. Schon jetzt fiel mir das Aufstehen schwerer; ich brauchte den Rollator, egal von wo ich aufstand. Sogar eine Toilettensitzerhöhung von zehn Zentimetern wurde für mich notwendig – ich hoffte inständig, danach wieder allein zur Toilette gehen zu können.
Abends quälten mich oft Schmerzen im Fuss, die vermutlich daher kamen, dass ich mich zu wenig schonte und immer etwas im Haushalt erledigen wollte. Diese Schmerzen verstärkten meine Angst, dass der Knochen nicht richtig zusammenheilen könnte und ich noch länger von der Arbeit fernbleiben müsste. Mein Arbeitgeber zeigte sich sehr verständnisvoll und versicherte mir mehrfach, ich solle mir kein schlechtes Gewissen machen – er wolle mich weiterhin als wertvolle Mitarbeiterin behalten. Trotzdem fürchtete ich, dass ich irgendwann eine Belastung für ihn sein könnte und nicht mehr gewollt würde.
Von meinen Kollegen hörte ich oft, sie seien für mich da und ich könne mich jederzeit melden, wenn ich Hilfe brauchte oder ein Taxi brauchte. Doch in Gesprächen spürte ich, dass das eher Pflichtbewusstsein war – die wenigsten hatten wirklich Zeit als ich sie wirklich brauchte. Als ich diese Zeilen schrieb, sind es noch drei Wochen bis zum Gipsabnahme-Termin. Ich hoffe sehr, danach wieder Auto fahren zu können, um eigenständiger zu sein und den Weg zurück zur Arbeit leichter zu meistern. Denn ab Juli bin ich bereits wieder im Betrieb, nachdem ich Ferien hatte.
Nachdem ich den Gips entfernt bekommen hatte, wurde mir jedoch dringend geraten, nicht sofort Auto zu fahren und das Gewicht nur langsam auf den Fuß zu verlagern. Da ich ohnehin meist mehr belastete als erlaubt, konnte ich nach ein paar Tagen bereits wieder voll belasten. Die erste Woche nach Gipsentfernung fuhr ich zwar noch nicht, begann dann aber wieder, mit dem Auto zur Arbeit zu pendeln. Trotz ärztlicher Krankschreibung arbeitete ich bereits und machte sogar Überstunden – aus dem starken Wunsch heraus, wieder aktiv zu sein.
